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Kurzthesen zu den analytischen Aktivitäten im Fremdsprachenunterricht

(Verband Wiener Volksbildung Universität Wien)

Die entscheidenden Lern – oder besser: Wachstumsprozesse finden statt, wenn die Lernenden Texte in irgendeiner Form wahrnehmen und verstehen. In den Akten des Verstehens werden den Wortern und Wortgruppen ihre syntaktischen, semantischen (pragmatische, konzeptuelle) und phonologischen Wertigkeiten zugeteilt.

Dem “authentischen Hören”, d.h. dem komplex-intelligenten Sinnerzeugen, und insbesondere dem Lingua-Puzzle (mit der abschließenden schriftlichen Notation) kommen hier besondere Bedeutung zu, was den Aufbau eines stabilen, rapide arbeitenden sprachlichen Speichersystems betrifft.

Welche Funktion haben nun die “analytischen Aktivitäten”? Das Wort “analytisch” laßt vermuten, daß hier das sogenannte “bewußte Lernen”, das Lernen durch “Hypothesenbilden”, “Generalisieren” usf. stattfindet. Auch wenn dies nicht auszuschließen ist, so besteht der hauptsächliche Wert der analytischen Aktivitäten hochstwahrscheinlich nicht darin. Ich vermute, daß durch die gezielte Wahrnehmung bestimmter X-Elemente letztendlich die folgenden Prozesse von entscheidender Bedeutung sind:

  1. Reaktivierung gemeinsamer und Neuaktivierung sprachindividueller Parameter

Beispiel: Deutschlernende mit französischer Muttersprache können im Fall der Wortstellung in Präpositionalphrasen ihren bisherigen “Mechanismus” beibehalten:

auf dem Tisch – sur la table, in der Falle – dans le piège… während der Ferien – pendant les vacances

Doch im Fall der Verbphrase (und damit in einer großen Anzahl von Satzstrukturen) müssen französischsprachige Deutschlerner den betreffenden Parameter ändern.

Ich muß einen Apfel essen. (je dois une pomme manger) …, weil er zu einem Empfang geht. (… parce qu’il à une réception va).

Kennt Gerhard den von all seinen Freunden verachteten Fritz? (Connaît Gerhard le de tous ses amis détesté Fritz?)

Italienischsprachige Deutschlerner stehen in diesem Fall vor dem gleichen Problem.

  1. “Fütterung” der relevanten psycholinguistichen Speicher mit entsprechenden Daten

Den Vorschlagen von Matthei & Rooper (1983) folgend, können wir für die Speicherung sprachlicher Daten ein “Bibliothekssystem” annehmen, das die einzelnen Eingänge mehrfach abspeichert, nach verschiedenen Kriterien:

Die wichigsten “Informationsinhalte” des lexikosyntaktischen Speichers sind;

– Definition der Wortkategorie (N, V, A, P)
– Subkategorisierungsrahmen (Komplemente)
– Grundstellung von Phrasenkopf und Komplement:

Komplement vor Kopf (Deutsche Verbphrase): well er seine Wohnung verkauft hat Kompiement nach Kopf (Französische Verbphrase): parce qu’il a vendu son appartement. – Derivationsmorpheme (Wortbildung) – Flexionsmorpheme – Bedeutungsfeld

Der phonologische Speicher:

– Phoneme (manifeste sowie latente)
– Silbenanzahl
– Betonungszentren in Wörtern und Phrasen

Die orthographische Datei:

– Schriftliche Form der Wörter

Die gleichzeitige Speicherung der Wörter in mehreren Dateien gleichzeitig erlaubt den im Alltag außerst rapide funktionierenden Zugriff in der Muttersprache sowie auch die Fähigkeit, Wort-und Sprachspiele unmittelbar zu “genießen” (möglicherweise muß man auch eine Schichtung in eine Aktiv-und Verstehensspeicher annehmen, was den UnterrichtsAktivitäten “Gesprachskonstruktion”, Rollenspiel, Sprechubungen usf. ihren spezifischen Wert verleiht).

Diese mehrschichtige Speicherung mit all ihren Verbindungen zum “klassisch” psychischen Apparat (Bewußtes, Vorbewußtes, Unbewu13tes) hat in der Muttersprache eine außerst tiefe Dichte erreicht. Abgesehen von Zweisprachigen und bestimmten Ausnahmefallen erreicht man in Zweit-und Fremdsprachen kaum ein annäherndes Niveau der Speicherungsdichte.

Der Wert der analytischen Aktivitäten besteht moglicherweise vor allem darin, daß sie erlauben, sprachliche Informationen in einer Form wahrzunehmen und zu “suchen”, für die auf der neuropsychologischen Ebene der Gehirnorganisation adäquate Verarbeitungssysteme bereitstehen. (Wobei selbstverständlich kilasein soll, daß die angenommenen Speicherungsdateien immer noch Produkte von Hypothesen sind, fü die es freilich starke Argumente gibt – man denke an die systematischen Aspekte bei lapsus linguae).

Die drei Dateien konnten eine grundlgende Gruppierung der analytischen Aktivitäten (d.h. der inhaltlichen Ausrichtung) nach sich ziehen, die den Unterrichtenden eine Richtung sowie produktive Struktur bei der ” Erfindung” von Anweisungen liefert. Eine zweite Ebene der Typologisierung konnte sich aus den wichtigsten Moduln der Sprachfähigket, so wie sie seit Chomskys “Government and Binding” vorgeschlgen werden, ergeben:

(Phrasenstruktur/X-Bar-Struktur, Lexikon, Kategorienbewegung, Logische Form, Phonetische Form, Kasussystem) (vgl. Riemsdijk, Williams 1 986).

Literatur

  • Susanna Buttaroni, Alfred Knapp, 1988: Fremdsprachenwachstum.
  • Henk van Riemsdijk, Edwin Williams, 1986: Introduction to the Theory of Grammar
  • Thomas Roeper, Edward Matthei, 1983: Understanding and Producing Speech.